Was gehört in den Arztbrief? Pflicht-Inhalte.

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Diagnosen, Befunde, Epikrise – die meisten Arztbriefe sind einigermaßen vollständig. Aber was gehört wirklich in den Arztbrief? Die wichtigsten Regeln für die einzelnen Abschnitte.

Ein Arztbrief soll bestmöglich informieren. Diagnose und Therapie müssen für den ärztlichen Leser dabei immer nachvollziehbar sein. Dazu dürfen bestimmte Inhalte im Arztbrief nicht fehlen. Grundregeln für Aufbau und Stil sind außerdem zu beachten.

Minimalanforderungen: was muss unbedingt im Arztbrief stehen?

Klare Vorgaben zum Inhalt des Arztbriefes gibt es in Deutschland nicht. Diese Mindestanforderungen zumindest sind aber Konsens in Deutschland und international:

  • Diagnose
  • Wichtige Befunde
  • Therapievorschlag mit Medikation
  • Korrekter Empfänger und Absender (für Rückfragen)

Ein Brief ohne diese Minimal-Inhalte hat keinen Sinn und könnte rechtlich angreifbar sein. Überflüssige Inhalte gibt es natürlich auch: Floskeln und inhaltsleere Jargon-Ausdrücke.

Diagnosen

Eine gute Diagnosenliste ist zur Seltenheit geworden. Wohl dem Assistenzarzt, der sich hierfür Zeit nehmen kann. Drei Regeln zu Diagnosen:

  1. Diagnosen kürzen: alte oder irrelevante Einträge löschen, Dopplungen entfernen, zusammengehörige Diagnosen zusammenfassen.
  2. Diagnosen gliedern: die wichtigen stehen oben, ältere unter „übernommene Diagnosen“ auslagern. Unterpunkte benutzen.
  3. Diagnosen präzise formulieren: Scores und KLassifikationen verwenden, Abkürzungen möglichst vermeiden.
Diagnose schlecht
1. Diabetes

Diagnose gut
1. Diabetes mellitus Typ 2 (ED 2012, insulinpflichtig seit 2019)

Eine Nummerierung und Einrückung bietet sich an. Mehr als zwei Gliederungsebenen wirken aber unübersichtlich. Die Reihenfolge der Diagnosen macht eine Aussage zu Wichtigkeit (absteigend) und Zusammenhang der Diagnosen. Eine Zwischenüberschrift „Übernommene / weitere Diagnosen“ ist üblich. Hier stehen Diagnosen, die von anderen Ärzten gestellt wurden und noch relevant sind oder es noch werden können. Das können zum Beispiel ältere fachfremde Diagnosen oder Voroperationen sein.

Anamnese

Kurze, objektive Darstellung in den Worten des Patienten. Das heißt: indirekte Rede verwenden (oder direkte Rede mit Anführungszeichen), keine Fachausdrücke, keine Befunde oder Diagnosen vorwegnehmen. Allergien und Dauermedikation können hier stehen. Auch für vegetative, Sozial-, Berufs- und Familienanamnese ist hier Platz. Eine Untergliederung mit Zwischenüberschriften ist nur erforderlich, wenn die einzelnen Abschnitte sehr lang sind. Nicht vergessen: Einweisungsmodus (elektiv, Notfall, mit Überweisung usw.) und evtl. bisherige Versorgungssituation.

Körperliche Untersuchung

Objektive Darstellung der erhobenen Befunde. Suggestive Befunde oder gar vorweggenommene Diagnosen sollen vermieden werden. Schlecht: „Janeway-Lesions“ oder „Stenosegeräusch in Aortenposition“.

Es ist keine bestimmte Reihenfolge vorgeschrieben. Ein üblicher Beginn ist „53-jähriger Patient in gutem Allgemein- und Ernährungszustand, wach, voll orientiert.” Dann folgen Befunde von Abdomen, Herz, Lunge, Haut, Nervensystem. Es kann aber Vorteile haben, den wichtigsten pathologischen Befund nach vorn zu stellen. Dann springt er gleich ins Auge.

Der „Allgemeinzustand” sollte möglichst objektiviert werden, zum Beispiel mit Angabe des ECOG-Performance-Status. (Eastern Cooperative Oncology Group, absteigend von 0 bis 5). Wichtiger als der „Ernährungszustand“ sind Größe, Gewicht und BMI (body mass index). Vitalparameter in Kurzform sind hier Pflicht.

Befunde

Hier sollen kurz und knapp die technischen Zusatzbefunde mit Datum aufgeführt werden. Die körperliche Untersuchung soll nicht hier stehen sondern als eigener Abschnitt davor. Oft vergessen: mikrobiologische Befunde sowie die Laboruntersuchungen, falls sie nicht im Anhang stehen. Es soll nur die Beurteilung oder Zusammenfassung der Befunde angegeben werden, praktisch niemals der gesamte Befundtext.

Es müssen nicht lückenlos alle Befunde aufgelistet werden. Aber immer aufführen müssen Sie aufwändige, teure oder potentiell schädliche Untersuchungen. Dazu gehören Herzkatheteruntersuchung, ERCP, CT, MRT, Lumbalpunktion, operative Eingriffe. Ebenfalls immer einfügen: histologische Befunde, Antibiogramme (in Kurzform), Tumorkonferenz-Empfehlungen.

Beurteilung

Heißt auch „Epikrise”, „Therapie und Verlauf” oder „Zusammenfassung”. Hier sollen Sie den Fall kurz erklären und eingeordnen. Aber keinesfalls ist nochmaliges Aufzählen aller Befunde erwünscht.

Guter Stil ist es, auf die Einweisungsdiagnose oder das Leitsymptom am Anfang kurz einzugehen. Wenn das Prozedere nicht unter den Diagnosen steht, gehört es hierher. Sehr erwünscht sind auch Aussagen zum körperlichen Zustand bei Entlassung und der Versorgungssituation zu Hause. Oft vergessene Information: inwieweit sind die Befunde und Diagnosen mit dem Patienten besprochen worden?

Entlassmedikation

Für die Patientensicherheit ist dies der wichtigste Abschnitt. Insbesondere neue oder veränderte Medikamente müssen enthalten sein. Dabei empfiehlt sich dann ein Kommentar: neue oder geänderte Substanz? Zeitlich befristete Verordnung? Bedarfsmedikation? Immer müssen Wirkstoff, Dosis und Einnahmeintervall angegeben werden. Ärzte im Krankenhaus sind verpflichtet, Präparate anzugeben, die auch in der vertragsärztlichen Versorgung wirtschaftlich weitergeführt werden können (§115c SGB V).

Nicht vergessen: Sauerstoff (Applikationsart und -dauer, Flussrate), Beatmungsparameter (im Fall von CPAP oder NIV oder invasiver Beatmung). Weiterhin sind natürlich auch nicht-oral verabreichte Präparate anzugeben. Beispiele sind Insuline, Salben, Tropfen, Sprays, Ernährungstherapie. Angaben zur Wundversorgung und zu Verbandsmaterial können hier stehen oder im Prozedere.

Patienten haben Anspruch auf einen Bundesmedikationsplan ab drei dauerhaft eingenommenen Präparaten (§31a SGB V). Dieser sollte über die Kliniksoftware routinemäßig erstellt werden.

Prozedere

Das Prozedere kann ohne Weiteres nach der Beurteilung stehen. Schreibt man es aber direkt unter die Diagnosen, passt es oft noch auf die erste Seite und fällt gleich ins Auge. Stichpunkte sind empfohlen, um in diesem wichtigen Abschnitt die Lesbarkeit zu erhöhen.

Procedere zu lang:
„Wir bitten Sie, Ihr freundliches Einverständnis vorausgesetzt, um Wiederzuweisung des Patienten am 17.05.2019 zum elektiven Stentwechsel. Bitte Einweisungsschein mitbringen.”

Procedere gut:
„Wiedervorstellung stationär zum Stentwechsel am 17.05.2019.”

Laborwerte

Am einfachsten und weit verbreitet: die Laborwerte stehen im Anhang. Alternative: die Laborwerte stehen in Textform unter „Befunde“. Dann muss das Labor aber evtl. gekürzt werden. Zum Beispiel nur pathologische Werte aufführen; Werte im Normbereich ohne Messwert; oder nur die Werte am Aufnahme- und Entlasstag übernehmen. Hier halten Sie sich am besten an die Form, die in Ihrer Klinik üblich ist.

Therapie

Den Abschnitt „Therapie” gibt es fast nur in chirurgischen Briefen. Dort ist er aber Pflicht und steht üblicherweise direkt unter den Diagnosen. „Therapie” enthält in korrekter Terminologie alle chirurgischen Eingriffe des Aufenthaltes mit Datum. Oft folgt im nächsten Abschnitt direkt der histologische Befund. Diese Darstellung ist zu begrüßen, weil kompromisslos das Wesentliche nach vorne gerückt wird. Es spricht nichts dagegen, dies auch für internistische oder neurologische Briefe zu übernehmen. Beispiele wären: endoskopische Resektion eines Tumors, Steinextraktion via ERCP oder Stent-gestützte Thrombektomie bei einer Mediaischämie.

Automatisch erzeugte, formale Briefbestandteile

Diese Abschnitte sollten von einer Klinik- oder Praxis-Software automatisch erstellt werden. Alternativ kann das ein Sekretariat übernehmen. Keinesfalls sollte der behandelnde Arzt diese formalen Abschnitte eintippen müssen, denn das kostet Zeit und führt zu Fehlern.

Adresse/Empfänger

Wird oft unterschätzt. Der Empfänger und die Kopieempfänger müssen korrekt sein, sonst kommt der Brief nicht an. Neben dem Hausarzt sind auch zuweisende Fachärzte des Patienten einzutragen. Es ist unüblich und auch nicht erforderlich, dem Patienten selbst einen endgültigen Arztbrief zu schicken. Das sollte eine Ausnahme sein. Fast nie darf der Brief an Angehörige oder Bekannte des Patienten gehen.

Betreff, Einleitung und Briefdatum sowie Grußformel und Unterschriften

Das übernimmt die Klinik- oder Praxissoftware. Sie sollten die Angaben aber unbedingt überprüfen. Besonders ärgerlich sind Fehler beim Adressaten (siehe oben) und beim Aufnahme- und Entlassdatum.

Anrede und Einleitungssatz

werden ebenfalls meist automatisch erzeugt. Es ist ratsam, die Anrede zumindest kurz zu überfliegen. Stimmt der Name? Stimmt die Anrede Herr/Frau?

Zusammengefasst:

Der Arztbrief nach stationärer Behandlung soll mindestens enthalten:

  • Anlass des Aufenthaltes (inkl. Anamnese),
  • Untersuchungsbefund und weitere wichtige Befunde,
  • Beurteilung, Therapievorschlag einschließlich Medikationsliste.
  • Angaben zu den Behandlern und zum Hausarzt.

Viele weitere Inhalte sind darüber hinaus noch üblich. Automatisch eingetragene Abschnitte sollten überprüft werden (z. B. Adressat, Datum und Telefonnummer).

Literatur

  1. Unnewehr, M. et al., Deutsches Ärzteblatt 2013
    Informativer Übersichtsartikel über Anforderungen an einen guten Arztbrief in Deutschland.
  2. Heckl, R. W.: Der Arztbrief. 1983. Thieme-Verlag, Stuttgart.
    Das letzte Lehrbuch zum Arztbrief in deutscher Sprache. Nur noch antiquarisch erhältlich.
  3. The SIGN discharge document. (SIGN Guideline No 128) 2012
    Schottische Kurzleitlinie zu Pflichtinhalten im Arztbrief.
  4. AOMRC Standards for the clinical structure and content of patient records. 2013
    Britische Leitlinie mit einem Abschnitt über die geforderten Bestandteile eines Arztbriefes.
  5. Erdogan-Griese, Rheinisches Ärzteblatt Dez. 2010
    Was gehört in den Arztbrief? Essay über Pflichtinhalte und formale Anforderungen. Arztbriefen.
  6. Bildnachweis: Rawpixel Ltd. – stock.adobe.com

Hinweis

Die meisten Regeln und Hinweise in diesem Text stammen zwar aus Kliniken für Innere Medizin (in Deutschland) – fast alle Regeln sind aber auf andere Fachgebiete übertragbar. Fakt ist aber auch: jede Klinik, jeder Chefarzt hat eigene Vorstellungen, und in vielen Fachgebieten sind besondere Anforderungen an den Inhalt eines Briefes zu beachten. Diese Regeln können nur von der jeweiligen Abteilung vorgegeben werden und haben Vorrang.

Achim Jatkowski

Jahrgang 1984. Ist Arzt und arbeitet am Klinikum Stuttgart.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. heidrun bonn

    als patient erschient mir diese anlietung vollstäöndig bzw. detailliert.
    aber, wen in einem arztbriefnur steht, es wurde z.b. thorax geröngt ,
    und es zeigte sich links eine schatten – i s t dies für einen (üblicherweise weiterbehandelnden) hausarzt eine umfassende information?
    darf für detaillierte auskunft – zustand des thorax bei röntgen – der patient daraufhin eine CD vom thorax-röntgen anfordern , und ist die CD kostenlos dem patienten zur verfügung zu stellen, weil der arztbrief aus dem behandelnden nachsorgekrankenhaus (wegen geriatrischer nachsorge aufgrund eines wochen zuvor sattgefundenen häusl. unfalls – ausrutschen auf blitzeis und OPs -in anderem KHS) ohne diese spätere thorax-CD unvollständig auskunft im entlassungsbrief/arztbrief gab?

    1. Achim Jatkowski

      Liebe Frau Bonn,
      der kurze Befund eines „Schattens“ im Röntgen-Thorax scheint mir für die Befundliste im Arztbrief ausreichend. Im Brief sollte das aber interpretiert werden. Was folgt aus dem Befund? Der Hausarzt kann in jedem Fall weitere Schritte einleiten, sofern das im Krankenhaus nicht schon passiert ist.
      Jeder Patient hat selbstverständlich Anspruch auf seine Laborwerte, Röntgenbilder und andere Befunde. Für die Anfertigung einer CD können aber Kosten in Rechnung gestellt werden.
      Viele Grüße
      A. Jatkowski

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